ORIGINAL SCHAUPLÄTZE

ALLE GUTEN KÖCHE HABEN ETWAS GEMEINSAM: SIE SIND GEPRÄGT VON IHRER HEIMAT, DEN KOCHTÖPFEN IHRER LEHRMEISTER UND IHRER LEIDENSCHAFT GERICHTE ZU KOCHEN, DIE DEN GAUMEN BEZAUBERN. AN DEN ORIGINAL SCHAUPLÄTZEN IHRER KÜCHEN WERDEN DIE BESONDEREN EIGENHEITEN LEBENDIG, DIE AUS IHNEN UNVERGLEICHLICHE KÖCHE MACHEN.

Oben: Christian Domschitz in der Küche des Vestibül
Unten: Denise Amann in ihrer Küche daheim

KONSTANTIN FILIPPOU IST EIN GRAZER MIT GRIECHISCHEN WURZELN, DER IM NOVELLI, EINEM ITALIENISCHEN RESTAURANT IN DER WIENER INNENSTADT, SEINE MIT DREI HAUBEN UND EINEM MICHELIN-STERN DEKORIERTE INTERPRETATION DER BASKISCHEN KÜCHE ZELEBRIERT.

Der wahre Originalschauplatz von Filippous Küche liegt aber im Kopf, „irgendwo im Zwischenreich von Erinnerung und Kreation“, wie er sagt. Natürlich versteht Filippou Kochen als schöpferischen Prozess, und sei es nur, dass die Einflüsse und Empfindungen in ihrer ganzen Vielfalt geordnet und so abgespeichert werden, dass sie bei den oft wagemutigen Kompositionen seiner Gerichte präsent sind. Aber das Herz seiner Küche, das gehört dem Baskenland.

Filippou hat seine Prägung bei Juan Mari Arzak erfahren, einem Drei-Sterne-Koch im baskischen San Sebastián. Arzak gilt als einer der kreativsten Köche überhaupt und hat einen hochexperimentellen, geradezu verspielten Küchenstil entwickelt, in dem das Ausgangsprodukt aber klar im Zentrum des Gerichts steht. Filippou war als junger Koch bei Arzak, hat da „ganz unglaublich hart“ arbeiten gelernt – und sich in die Küche dieses Bergvolks verliebt, welche ganz stark vom grandiosen Fisch und den Meeresfrüchten geprägt ist, die der Golfstrom in den Golf von Biskaya – also sozusagen vor die Haustür – spült.

„Die Basken haben eine unglaublich intime Beziehung zum Essen“, sagt Filippou. „Kochen, die Freude am Entwickeln neuer Geschmacksakkorde, ist wirklich ein verbindender Charakterzug.“ Dieser ebenso leidenschaftliche wie spielerische Zugang zur großen Küche hat Filippou geprägt: „Am Wochenende, wenn die Herren der Schöpfung anderswo am Fußballplatz oder an der Bar abhängen, treffen sich die Basken im Kochklub, Txoko genannt, um den ganzen Tag an einem Festmahl zu arbeiten“, erzählt er, „und das ist mindestens so wichtig wie die Freude, die man bei seiner Zubereitung erlebt.“

Diese Begeisterung versucht Filippou seitdem auch in seiner Küche zum Grundprinzip des Schaffens zu erheben: „Der Geist und die Energie, die in einer Küche herrschen, sind für die Qualität ebenso wichtig wie erstklassige Grundprodukte und technische Möglichkeiten.“ Sie definieren seinen „Originalschauplatz Küche“ zumindest auch so stark wie geografische Tatsachen. Und das Salz? „Ist für mich das Meer in seiner konzentrierten Form.“ Filippou verwendet es sparsam. Er weiß, dass seine Gerichte nur wenig davon brauchen, um geschmacklich zum Leben erweckt zu werden. Wer nachwürzen möchte, findet auf seinem Tisch eine Auswahl verschiedener Salze, darunter auch ein geräuchertes aus Hawaii, das, so Filippou, „speziell in der Kombination mit Zitrusfrüchten“ interessante Kontraste setzt.

„Richtig viel Salz brauche ich für unseren Bacalao“, erklärt Filippou. Womit er schon wieder im Baskenland ist. Denn dieser in Salz konservierte Kabeljau ist seit Urzeiten ein Grundnahrungsmittel der Basken. Durch diesen Vorgang wird dem Fisch Feuchtigkeit entzogen, was ihn haltbar macht. „Gleichzeitig wird das meeresfrische Aroma aber auch intensiviert, wodurch ein ganz neuer Geschmackshorizont entsteht“, sagt Filippou. Den Bacalao verwendet er, um eine mit Safran angereicherte, samtig- aromatische Stockfischcreme zu rühren, die mit roh mariniertem Gelbschwanz-Thunfisch und knusprig gebackenen Mini-Tintenfischen kombiniert wird.

Konstantin Filippou hat nicht nur den Geschmack des Kabeljaus, sondern auch seine Freude und Leidenschaft für die Kochkunst mit einer Prise Salz konzentriert. Darauf dürfen sich seine Gäste im Novelli ganz besonders freuen.

STERNEKOCH DOMSCHITZ BIETET IM VESTIBÜL DES WIENER BURGTHEATERS EINE SEHR PERSÖNLICHE NEUINTERPRETATION DER KLASSISCHEN WIENER KÜCHE DAR – WOHL DER IDEALE ORIGINALSCHAUPLATZ FÜR DIESES VORHABEN. WO NEBENAN DIE KLASSIKER DER DRAMATISCHEN LITERATUR AUF WEGWEISENDE ART NEU INTERPRETIERT WERDEN, WIDMET SICH DER KOCH DEMSELBEN THEMA AUF SEINER BÜHNE, DEM TELLER. DER RAHMEN IN BEIDEN FÄLLEN: MEHR ALS WÜRDIG.

Oft sind es exotische Ingredienzien und international geschärfte Kochtechniken, die in der Küche des Vestibül zum Einsatz kommen. Weltläufige Eleganz prägt hier die Inszenierung, ganz besonders jene, die fest im Kanon der Wiener Küche verankert ist. Möglich, dass Theaterfreunde darin eine Parallele zur Bühnenkunst von nebenan erkennen.

Domschitz’ unnachahmlicher Stil zieht sich von frühen Meilensteinen wie dem Krautfleisch vom Atlantik-Hummer über virtuose Lustspiele wie die Brettljause vom kalt geräucherten Butterfisch bis zu Zwiebelrostbraten vom Sushi- Thunfisch – wirklich großes Theater. Oder ein Wiener Gurkensalat, den Domschitz als Vorspeise mit zart angewärmtem Sashimi vom Wildlachs präsentiert. Die Küche des Burgtheaters wird zur Bühne, zum Originalschauplatz für einen Zusammenprall der Kulturen, der sich auf verblüffende Weise in Wohlgeschmack auflöst.

Einem japanischen Fischmesser, von der ruhigen Hand von Domschitz’ Souschef Alois Traint geführt, kommt dabei eine tragende Rolle zu. Es wird Deba bocho genannt, ist aus Damaszenerstahl handgeschmiedet und erlaubt besonders präzise Schnitte. Domschitz ist überzeugt, dass Fisch, der mit dieser extrem scharfen, auf die Zellstruktur des Fisches zugeschliffenen Schneide behandelt wird, auch anders, besser, schmeckt. „Das Messer liegt ganz eigen in der Hand, ein unglaublich präzise gearbeitetes Werkzeug.“ Seit er es in Verwendung hat, weiß Domschitz, dass der besondere Schmelz von japanischem Sushi ganz zentral mit der Schnitttechnik und der richtigen Verwendung des speziellen Messers zu tun hat: Echt japanisch geschnittener Wildlachs trifft auf echten Wiener Gurkensalat.

Womit auch deutlich wird, dass dem Originellen in Christian Domschitz’ Verständnis von Originalität ein wichtiger Platz gebührt. Die Kraft des Ortes, an dem seine Kreativität auf Teller und Gaumen gebannt wird, ist freilich stets gegenwärtig.

Christian Domschitz’ Küchenlinie ist, nichts neu zu erfinden, aber neu und überraschend zu interpretieren. Hochwertige Produkte und das eine oder andere ganz besondere Küchenwerkzeug unterstützen ihn dabei.

DENISE AMANN IST GERADE 31 UND SCHON EIN STAR. SIE HAT IN INDIEN UND FRANKREICH GELEBT UND DORT AUCH KOCHEN GELERNT. JETZT ZEIGT SIE IHR KÖNNEN BEI LANZ IM DEUTSCHEN FERNSEHEN NEBEN SHOWGRÖSSEN WIE ALFONS SCHUHBECK UND JOHANN LAFER. MIT DEM RESTAURANT NOI HAT SIE DEM YPPENPLATZ IN OTTAKRING EINST DAS ERSTE VON MITTLERWEILE VIELEN TOLLEN LOKALEN GEGEBEN. WER DENISE AMANN INMITTEN DER KÜCHE BEIM KOCHEN ZUSEHEN DURFTE – UND DIE TISCHE WAREN STETS RUND UM DEN HERD ANGEORDNET – DER ERLEBTE, WIE SIE MIT SPARSAMEN HANDGRIFFEN AUS FRISCHEN, REIN BIOLOGISCHEN ODER ÜBERHAUPT WILDEN PRODUKTEN GROSSE GESCHMACKSERLEBNISSE FORMTE. UND DABEI RECHT ENTSPANNT WIRKTE.

Jetzt aber war es Zeit, etwas ganz Neues zu beginnen. Denise Amann hat beschlossen, ihre Küche auf eine Reise mitzunehmen: weit zurück in die eigene Vergangenheit, an den originären Schauplatz. Sie wird sich in Vorarlberg niederlassen. „Ausgerechnet“, lacht sie, „als ich mit 22 Jahren von hier weg bin, da hätt’ keiner gedacht, dass ich wieder zurückkomm‘ – und ich am allerwenigsten!“

Doch es ist eine Rückkehr in mehrfachem Sinn. Klar hat sich in den letzten Jahren enorm viel getan im Ländle, auch dort ist die Sensibilität für gutes Essen erwacht. Aber Denise Amann will inzwischen auch ganz genau wissen, wo die von ihr verwendeten Zutaten herkommen. Sie pflegt einen sehr stark regional fokussierten Bezug, der die Zusammenarbeit mit lokalen Bauern, Jägern und Züchtern als Teil der Küche versteht. Das funktioniert am Land natürlich viel einfacher als in der Stadt. Die Landschaft, in der sich Denise Amann niederlässt, soll zum Originalschauplatz ihrer Küche werden – auf ganz buchstäbliche, handfeste Weise: Was nicht aus der Gegend stammt, kommt auch nicht in ihre Küche. Meeresfisch fehlt bei Denise Amann seit Jahren auf der Karte, obwohl sie ihn liebt. „Es tut so gut, darauf verzichten zu können“, sagt sie, noch dazu, wo es inzwischen ganz herausragenden Fisch aus Österreich gebe. „Jetzt will ich noch näher an mein Essen, den Schauplatz, wo es wächst und gedeiht.“

Wenn es nach Denise Amann geht, dann soll ihre nächste „Wirtshausküche“ tunlichst mit einer Aussicht auf den hauseigenen Gemüsegarten ausgestattet sein. „Ich habe einen guten Gärtner in der Familie“, sagt Amann, „der seit Jahren in Permakultur anbaut.“ Von ihm will sie lernen und von Anfang an dabei sein, wenn ihr Essen entsteht. Vegetarierin zu werden, steht nicht im Vordergrund. „Aber es geht doch darum, den Lebensmitteln gerecht zu werden. Eine Karotte oder Pastinake hat es sich genauso wie ein edles Stück Käs’ verdient, mit Wertschätzung behandelt zu werden. Und sie wird uns diese Aufmerksamkeit danken – mit ihrem Geschmack.“

Denise Amann erkocht mit ihrer Küche den Original-Geschmack regionaler Zutaten und entwickelt damit Genusserlebnisse, die eigentlich schon immer vor unserer Haustüre zu finden waren. Bleibt in diesem Fall nur zu hoffen, dass sich auch außerhalb Vorarlbergs Nachahmer finden, die uns mit den Originalaromen anderer Landstriche vertraut machen.